Die Geschichte vom Fairphone ist eine Geschichte von zweierlei Maß. Eine Firma, die groß rumtönt, wie fair sie ihr Smartphone herstellen will, bekam jede Menge Vorschußlorbeeren. Jetzt ist das Fairphone fertig gebaut und die Marketing-Versprechen sind geplatzt wie Seifenblasen. Andere Firmen, die viel fairer produzieren lassen, bekommen jedoch kein Lob, weil sie es nicht an die große Glocke hängen.
Fairphone hat kurz gesagt zum Ziel, die Arbeiter anständig zu bezahlen, die Umwelt zu schonen und die Ressourcen möglichst aus Quellen, die konfliktfrei sind, zu beziehen und alles offenzulegen.
Ein bißchen nachdenklich gemacht hatten mich Artikel, die sagen, Fairphone täte nicht genug für die Arbeiter oder andere Hersteller wäre fairer als Fairphone.
Am 7. Dezember 2013 habe ich bei Fairphone nachgefragt, weil entgegen ihrem Offenlegungs-Versprechen bis zu der Zeit völlig unklar war, was die Arbeiter verdienen. Das ist umso seltsamer, da die vierwöchige Massen-Produktion zu dieser Zeit längst beauftragt war und sie schon seit langer Zeit wissen müssen, was in ihren Verträgen mit der chinesischen Fabrik steht.
Hi Joe,
can you tell me the wage a worker earns for assembling the Fairphone? Also i would like to know whether that wage is different from his usual wage when assembling other products.
Kind regards, Markus
Hi Markus,
Interesting question. We are about to publish on our blog (www.fairphone.com/blog) a very long explanation and report on the social assessment of our production partner's factory in China. In that we talk about the wages of workers there. It should go up later today, so it's a coincident that you ask. Are you asking for personal interest or for some other reason?
As for the second part of your question - I can't say for sure but I would think they are paid the same for our work than with another phone in the factory. What would be different is a "Worker Welfare Fund" which we explained in our Cost Breakdown on our blog. We talk about that in the upcoming blog, too.
Hope this helps.
Best,
Joe
Ich wollte wissen, was die Arbeiter verdienen, und ob sie mehr verdienen als wenn sie andere Geräte produzieren. Die Antwort am 9. Dezember war, sie wüßten nicht, was die Arbeiter verdienen, aber es wäre wohl das gleiche wie sonst üblich auch vor und ohne Fairphone in der Fabrik. Und ich solle auf den Bericht warten in ihrem Blog. Der Bericht kam dann am 10. Dezember.
In dem Fairphone Bericht heißt es, daß die Arbeiter 169 USD pro Monat verdienen. Und, daß sie 60 Stunden (49 sind legal) arbeiten müssen. Apple läßt die Arbeit bei seinen Zulieferen schon lange offiziell überwachen und der letzte Bericht sagte, daß es signifikant besser geworden ist bezüglich der Arbeitsstunden bei Foxconn, aber trotzdem noch nicht alle Ziele erreicht wurden, die sich Foxconn mit Apple und der Fair Labor Assocation (FLA) gesetzt hat.
Die Arbeiter für Apple verdienen, nachdem Apple auf Lohnerhöhung gedrungen hatte, als Anfänger bei Foxconn 285 USD pro Monat (vorher 228 USD) und, wenn sie eine technische Prüfung machen, sogar 349 USD als Monats-Basislohn. Das ist der doppelte Monatslohn von dem, was die Jungs beim Fairphone bekommen: 349 USD / 169 USD = 2,0650887574.
Die Mindestlöhne variieren jedoch in China von Region zu Region. Fairphone läßt in Chongqing produzieren. Apples Zulieferer Foxconn zahlt auch in Chengdu denselben hohen Lohn wie in Shenzhen, das den höchsten Mindestlohn in China hat. Die Produktionsstätten von Apples Zulieferer Foxconn in Chengdu und von Fairphones Zulieferer Changhong in Chongqing liegen nur circa 300 km Luftlinie auseinander. Wikipedia schreibt: Chengdu hat sich neben Chongqing zum Wirtschaftszentrum Westchinas entwickelt. Darum sieht es nicht so aus, als ob der halbe Lohn bei Fairphone in Chongqing ein super Deal wäre. Zumal die Stadt zum Beispiel 2006 in den Top 10 der lebenswertesten Städte Chinas geführt wurde.
Fairphone gibt selbst als Quelle für Mindestlöhne in China diese Seite mit Lohntabellen an. Darin kann man erkennen, daß Chengdu (Apple) und Chongqing (Fairphone) beide einen Mindestlohn von 1050 Yuan haben, was circa 169 US-Dollar entspricht.
Genauer gesagt ist Chengdu (Apple) ein Class A District von Sichuan mit 1050 Yuan = 169 USD Mindestlohn. Die iPhone-Arbeiter bekommen aber sogar 349 USD.
Chongqing (Fairphone) hat je nach Distrikt einen Mindestlohn zwischen 950 und 1050 Yuan, wobei die meisten zu Distrikt A gehören, was also 154 bis 169 USD entspricht. Fairphone zahlt den Distrikt-A-Mindestlohn, also nur 169 USD.
Man sieht also, daß Fließbandarbeiter, die für Apples Zulieferer Foxconn arbeiten, den doppelten Mindestlohn ihrer Region bekommen, und Arbeiter am Fairphone-Band nur den einfachen Mindestlohn ihrer Region. Wem also das Wohl der Arbeiter am Herzen liegt, ist bei Apple besser bedient, denn deren Auftrags-Arbeiter haben ein wesentlich besseres Einkommen, nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch relativ zu der Region, in der sie leben.
Selbst bei seinem kürzlich hinzugekommen anderen Zulieferer Pegatron, den Apple auch gerade positiv beeinflußt, erhalten die Arbeiter in Shanghai laut diesem Bericht 268 USD Grundlohn während der Mindestlohn für Shanghai bei nur 233 USD Dollar liegt.
Andere Seiten berichten, daß Foxconn angeblich doch nicht landesweit einheitlich bezahlt. Aber selbst wenn man die niedrigsten Zahlen von dort als korrekt annimmt, zahlt Foxconn immer noch weit über "Minimum Wage" und damit weit über dem, was die Fairphone-Arbeiter bekommen.
Ein paar Euro vom Verkaufspreis des Fairphones fließen in einen "Welfare Fund", der allen Arbeitern in der Fabrik irgendwie zugute kommen soll. In welcher Form das passiert, wird später entschieden. Würden sie es bar ausszahlen an alle, hätte jeder laut Fairphone einmalig einen Extra-Monatslohn. Also einmal soviel wie die Foxconn-Leute immer verdienen. So ein Welfare Fund ist keine dauerhafte Verbesserung des Einkommens.
Die beiden konfliktfrei bezogenen Mineralien Zinn und Tantal für das Fairphone werden auch für viele andere Smartphones genauso bezogen. Das liegt einfach daran, daß das meiste Zinn und Tantal auf dem Weltmarkt eh aus konfliktfreien Minen kommt. Die anderen über 28 Mineralien im Fairphone sind nicht konfliktfrei, wie woanders auch. Fairphone unterscheidet sich also tatsächlich von anderen Smartphones hauptsächlich dadurch, daß sie ihren guten Willen an die große Glocke hängen. Sogar Samsung hat mit seinem S4 mehr erreicht als Fairphone überhaupt vorhat. Dieses Zertifikat behandelt unter anderem Umweltverträglichkeit, soziale Verantwortung und Arbeitsbedingungen und umfaßt auch die ISO 26000 - Social responsibility.
Hinsichtlich der Umweltverträglichkeit kann man bei Fairphone nachlesen, daß sie kein eigenes Recycling-Programm haben, sondern darauf hinweisen, man könne die Geräte ja bestimmt irgendwo anders entsorgen. Apple zum Beispiel, hat ein eigenes Recycling-Programm bei dem man für Altgeräte sogar noch Geld bekommt.
Das Fairphone ist ein Gerät, das baugleich in derselben Fabrik in China von denselben Arbeitern zu denselben Bedingungen auch für den chinesischen Heimatmarkt produziert wird: we selected and licensed an existing design from our partner Changhong sagt Fairphone selbst und heise berichtet Das Fairphone ist … fast identisch mit einem Android-Modell des chinesischen Auftragsfertigers A'Hong. Der Unterschied ist ein anderes Glas und, daß nur zwei von 30 Mineralien woanders herkommen. Andere Hersteller haben Geräte im Angebot, die fairer und konfliktfreier hergestellt wurden. Wer ein bessere "Fairphone" kaufen möchte, findet eines bei Samsung. Leider zieht Samsung diese Linie nicht überall sauber durch, sondern behandelt seine eigenen Arbeiter in den eigenen Fabriken teilweise echt schlecht. Bei einem Zulieferer hat man nicht ganz so die Kontrolle, aber in der eigenen Fabrik? Samsung, schämt Euch!
We’re 15 people in Amsterdam, what do we know?. Eine gute Einsicht! Fairphone sind circa 15 Leute in Amsterdam, die nicht viel ausrichten können, denn mit nur 25000 Geräten im Jahr können sie keine Bedingungen stellen und nichts verbessern. Apple hat hingegen die Macht, etwas zu bewegen, und das haben sie genutzt: Die Arbeitsstunden bei Foxconn wurden reduziert und die Löhne dramatisch erhöht. Zumindest verdienen die iPhone-Schrauber bei gleicher Arbeitszeit das Doppelte wie ein Fairphone-Schrauber.
Apples Umweltprogramm ist vorbildlich und Fairphone hat gar keins. Und was die Offenlegung angeht, kann man regelmäßig bei der FLA nachlesen, unter welchen Bedingungen iPhones zusammengebaut werden.
Fairphone ist als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. Versteht mich nicht falsch, jeder findet hehre Ziele gut, ich auch, aber Fairphone redet mir eine Spur zuviel, erreicht aber viel zu wenig und auf jeden Fall weniger als beispielsweise Samsung oder Apple erreicht haben. Fairphone schürt Hoffnungen und Erwartungen, die sie nicht halten und auch gar nicht halten können.
Das Blog Faire Computer, dessen nützliche Kritik ich hier in einem Update verarbeitet habe, spricht von "falsch geschürten Hoffnungen", was auch ganz klar mein Eindruck ist.
Und böse Zungen behaupten, Fairphone habe sich eine Expedition / Safari (nettes Video) bezahlen lassen. Was auf den ersten Blick wie ein Betriebsausflug in den Kongo aussieht, soll aber eine "fact finding mission" gewesen sein. Es sei ihnen gegönnt.
Ich gehe hier auf interessantes Feedback ein.
Fairphone hatte mich auf Twitter gefragt, wie sie denn diesen Artikel kommentieren können. Schließlich haben sie dann auf ihrer Webseite eine offizielle Antwort gepostet.
Im Jahr 2016 funktioniert der Link von 2013 nicht mehr, aber ich habe eine Kopie gefunden. Zur Sicherheit habe ich die mal lokal gespeichert.
Ein Leser schrieb mir, Fairphone würde in China eine Gewerkschaft gründen. Das ist leider nicht der Fall. Fairphone schreibt dazu auch nichts und Eric Lee äußerst scharfe Kritik an dem schwammingen Gerede (weasel words) von Fairphone und sagt, daß Fairphone eben keine Fabrik in China gewählt hat, die gewerkschaftlich organisiert ist. Und wenn Fairphone es wirklich ernst meinen würde mit "fair", dann hätten sie das tun können und müssen. Eine "soziale Bewertung" und "offene Diskussionen" seien kein Ersatz dafür. Fairphone überdecke damit nur die ernsthaften Probleme.
Es gab viel positives Feedback auf Twitter und Facebook. Auf Google+ war wie immer nicht viel los. In den verschiedenen Foren waren die Reaktionen geteilt. Die meisten, die den Artikel tatsächlich gelesen haben, freuten sich über die Infos. Aber es gab auch andere:
Das Fairphone sollte nachhaltiger sein, haben sie gesagt. Das Fairphone sollte länger genutzt werden können als Geräte von Samsung oder Apple, haben sie gesagt. Long before the first phones shipped in 2013, our ambitions for software were the following: Long-term use and support: We wanted to release updates and upgrades for our products for as long as possible.
Im Juni 2013 hatten sie 5.000 Vorbestellungen erreicht und begannen die Produktion des Fairphone 1. Die ersten Geräte kamen Ende 2013 bei den Kunden an. Bei anderen erst später. Die letzten Fairphone 1 wurden im Februar 2015 verkauft. Im Juli 2017 haben sie den Support für das Fairphone 1 eingestellt. Der Software-Support klappt jedoch überhaupt gar nicht. Das Fairphone kam nie über Android 4.2.2 hinaus. Eine Version von Februar 2013.
War das jetzt besserer Support als bei Apple? Zu vergleichbarer Zeit, im September 2013 kam das iPhone 5s heraus. Es wurde bis März 2016 produziert. Es wird im Juli 2017 immer noch offiziell unterstützt und es läuft die aktuelle iOS Version 10.x darauf.
Damit schlägt das Apple Gerät das Fairphone beim Software-Support um mindestens 4 Jahre und bei der Verfügbarkeit um mehr als ein Jahr. Bei der Reparatur-Unterstützung verliert das Fairphone auch. Ich kann ein iPhone 5s auch nach 4 Jahren noch bei Apple offiziell reparieren lassen. Beim Fairphone war der offizielle Support nach 3,5 Jahren vorbei. Und wie gut der vorher war, steht auch noch zur Debatte.
Speziell die fehlenden Software-Updates sind ein großes Problem: Ohne Updates ist die Sicherheit des Systems hinfällig, denn bekannte Bugs werden nicht behoben und können auf ewig ausgenutzt werden. In dem Punkt hat Fairphone voll und ganz versagt. Sie sind total naiv an ihr Android-System herangegangen. Ein Smartphone ist eben nicht nur Hardware. Die Pflege des Systems kostet Zeit und Geld. Und das hat sich Fairphone gespart und war trotzdem vergleichsweise teuer.
Die Geschichte hat also gezeigt, daß Fairphone zwar lobenswerte Ambitionen hatte, aber schlicht keine Ahnung von dem, was sie tun und daher ihr Ziele weit verfehlt haben.
Apple kann viel mehr für die Umwelt tun als Fairphone und Apple leistet mehr für die Umwelt als Fairphone. Wesentlich mehr. Danke dafür an Tim Cook.