Gil Amelio ist vermutlich der wichtigste Mann in Apples Geschichte. Er war der CEO, der 1996 entschied, NeXT Software zu kaufen, um NeXTSTEP als Basis für das künftige Mac Betriebssystem zu nutzen. Der Kauf fand dann Anfang 1997 statt. Ich wußte, daß eine künftige Verbindung von Mac und Unix einfach das perfekte System würde. Einfach benutzbare GUIs und elegante Hardware gepaart mit Performance, Sicherheit und Serverfähigkeiten. Ich hatte von dem Apple-Next-Merger im Videotext des elterlichen Fernsehers erfahren. Ich war grad nicht in meiner Wohnung, in der ich immerhin schon Internetzugang per Modem-Einwahl hatte. DSL oder Kabelnetz war zu der Zeit ein amerikanischer Traum. Ich hatte mir an dem Tag gewünscht, Aktien kaufen zu können, hatte jedoch kein Geld. Denn Apples Aktie war am Boden und mit dem Plan für dieses künftige System würde es ein rosige Zukunft geben für Apple und seine User. Mir gefiel auch der Gedanke, daß Steve Jobs wieder an Bord kam, denn er hatte mit seiner Firma Next gezeigt, daß unter ihm ein großartiges System entstehen kann.
Man sollte Steve Jobs bei all seinen charismatischen Vorzügen jedoch nicht überbewerten. Viele glauben, Steve Jobs wäre der Vater des Macintosh, was daher kommt, daß er ihn 1984 als damaliger Apple-Chef vorstellte, nachdem er ihn liebgewonnen hatte. Zuvor jedoch hatte Steve das Macintosh-Projekt bereits mehrmals gestoppt, weil er nicht verstand, worum es ging. Bei Spiegel Online verwischte die Realität noch weiter, als sie jetzt berichteten, der Mac Classic für 999 D-Mark wäre einer der "Geniestreiche von Steve Jobs" gewesen. Der Mac-Classic kam auf den Markt zu einer Zeit Jahre nach Steve Jobs und Jahre bevor Steve Jobs, also als er sowas von nicht bei Apple war wie nur was.
Es passierte in den letzten Jahren mit Steve Jobs etwas, was ich auch anderswo (bei GUIs) beobachten konnte: Die Menschen neigen dazu, alle Dinge einer einzigen Ursache, einer einzigen Person zuzuordnen. Das da ist schuld. Oder der da hat dies oder jenes erfunden. Diese jeweils einzelne Ursache vereinfacht den Menschen das Denken. Allerdings bastelt man sich damit eine Fiktion jenseits der Wirklichkeit. Steve Jobs hat ohne Zweifel entscheidend zum Erfolg von Apple beigetragen, aber er hat das nicht allein gemacht. Apple hat großartige Programmierer, phantastische Designer und scharfsinnige Architekten. Steve Jobs hat ihnen eine Richtung und wunderbare Motivation gegeben, aber Apple ist eine Firma und besteht aus Tausenden von Leuten und nicht nur aus dem freundlichen Mann im Rolli.
Ich muß zugeben, ich habe mir trotzdem seit seiner ersten schweren Erkrankung Sorgen um Apple gemacht. Nicht, weil ich befürchte, sie könnten es nicht ohne ihn. Nein, meine Befürchtung war, daß Apple nach Steve Jobs wieder einen Chef bekommt, der die Firma nicht auf der richtigen Spur hält. Mit Pech jemand von draußen, wie damals der Pepsi-Mann. Tim Cook jedoch ist seit 1998 bei Apple und hat Steve Jobs in 2004, 2009 und 2011 bereits als CEO vertreten. Ansonsten war Tim als COO für das operative Geschäft zuständig und maßgeblich verantwortlich für Apples finanziellen Erfolg. Manche mögen sich noch erinnern, daß Apple in den Jahren davor immer entweder zu wenig oder zu viel produzierte – beispielsweise. Apple ist heute ein eingespieltes erfolgreiches Team. Einer der Topspieler ist zum wiederholten Mal nicht mehr mit dabei, diesmal leider für immer. Diese Situation war für Steve und Apple schon lange vorhersehbar und ich bin sicher, sie sind inzwischen daran erstens gewöhnt und zweitens vorbereitet. Es ist jetzt zwar zu spät für Goodbyes, aber das ist wohl zum Glück auch nicht nötig.
Eine Sache noch: Dank des Erfolges von Apple in den letzten Jahren auch in Deutschland, ist die Nachfrage nach Programmierern für Objective-C deutlich gestiegen: Von einer gefühlten Null auf Stellenangebote in fast jeder größeren Stadt deutschlandweit. Deshalb konnte ich mein Dasein als Java-Entwickler vor einiger Zeit endlich beenden und mein Informatiker-Interesse für Macs und iPhones auch beruflich ausleben und dafür programmieren. Objective-C rockt, Cocoa (Touch) rockt und die Apple-Geräte, mit denen ich arbeite, vom iMac über MacBook Air, iPhone, iPod Touch und iPad sind einfach ein Traum. Ich wußte schon immer, was ich will, aber es war vorher in Deutschland nicht möglich. Steve hat ohne Zweifel einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, daß ich nun in dieser glücklichen beruflichen Situation bin. Denn hätte er sich nicht so vehement für Apples Erfolg und Zukunft eingesetzt, ich bin mir sicher, ich würde immer noch als Java-Fuzzi dahinvegetieren müssen. Dafür bin ich ihm ganz persönlich dankbar. Danke, Steve.